… und das in zweifacher Hinsicht. Die schöne und besinnliche Adventszeit beschert uns, neben vielen schönen Stunden mit der Familie und einem unendlichen Geschenkmarathon, auch einiges an Einsätzen. Leider ist es in vielen Familien mittlerweile üblich, dass man nur selten zusammen an einem Tisch sitzt und Probleme gerne mal unter den selbigen gekehrt werden. An den Feiertagen ist es dann alljährlich wieder so weit: Die gesamte Familie kommt „notgedrungen“ zusammen, die Probleme werden eimerweise wieder aufgewärmt, die Situation unter dem durch Wachskerzen erleuchteten Tannenbaum eskaliert und wenige Minuten später wird der halbe Straßenzug von gemütlich blau flackerndem Licht erhellt.
1. Weihnachtsfeiertag 22:20 Uhr: „Häusliche Gewalt bei Walter, Weststraße 1“ – „Verstanden, mit Sonder- und Wegerechten“
Die Familie Walter war meinem Kollegen und mir in soweit schon bekannt, als dass es in den letzten Wochen bereits mehrere Einsätze und körperliche Übergriffe gegeben hatte. Mit Blaulicht und Horn bahnten wir uns zügig den Weg durch den auf der Landstraße immer dichter werdenden Nebel.
Schon drei Minuten später bogen wir in eine mittelständige bis gehobene Wohngegend mit kleinen Mehrfamilienhäusern und einigen größeren Einfamilienhäusern ein. Unser Einsatzziel befand sich linksseitig an der Ecke einer Einmündung in einem kleinen dreistöckigen Mehrfamilienhaus mit 6 Parteien. Von außen schien das Objekt modern und gut gepflegt.
Aus einsatztaktischen Gründen entschieden wir uns dafür, den Streifenwagen nicht direkt vor dem Wohnhaus abzustellen. Beim Verlassen des Autos durchschnitt bereits ein lautes Wortgefecht aus dem geöffneten Fenster im 2. OG die weihnachtliche Nachtruhe – „Ich mache dich fertig du Sch***** – „Ich glaube, hier sind wir richtig“ murmelte mein Kollege mit verdrehten Augen. – „Dann wollen wir mal.“
Noch bevor wir das Wohnhaus betreten konnten, zog ein lautes Klirren gefolgt von einem etwa 5 Meter von uns entfernt landendem Nudeltopf, vermutlich aus der Küche der Familie Walter, unsere Aufmerksamkeit auf sich. „Oh je, dieses Mal übertreiben die aber wirklich…“ Mit diesen Worten drehte ich mich kurz zur Seite, um nach einem kurzen Piepen des Funkgerätes den zweiten auf der Anfahrt befindlichen Streifenwagen über die unangemeldeten Flugobjekte zu informieren.
Die Lage schien zu eskalieren, weshalb wir uns entschieden, das Eintreffen des zweiten Wagens nicht mehr abzuwarten. Nach einem kurzen Sprint durch das weihnachtlich geschmückte Treppenhaus befanden wir uns im 2. OG vor der Wohnungstür der Familie Walter. Eine Nachbarin hatte uns freundlicherweise in das Haus gelassen. „Polizei, aufmachen oder wir kommen rein.“ – Nach einem scheinbar sofortigen Waffenstillstand und absoluter Ruhe in der Wohnung, dauerte es genau 5 Sekunden, bevor sich das nächste unbekannte Flugobjekt den Weg in Richtung Wohnungstür suchte und von innen krachend vor der Tür liegen blieb. – „Wir müssen rein, wenn die nicht sofort aufmachen.“ – Wir bereiteten uns innerlich bereits auf das Eintreten der Wohnungstür vor, als uns plötzlich ein scheinbar sehr stark alkoholisierter Mann schwungvoll mit einer erhobenen Bierflasche die Wohnungstür aufriss. Trotz des Überraschungsmomentes und dank dem nur noch wenig vorhandenen Restblut im ganzen Alkohol im Körper des Mannes (kein Verdreher – Absicht 🙂 ), schafften wir es knapp der inzwischen fliegenden Bierflasche auszuweichen. Die Fußmatte des Herrn Wagner hatte, bei seinem schwungvollen Heraustreten in den Hausflur, an Bodenhaftung verloren und glitt samt des Delinquenten geräuschvoll gegen die gegenüberliegende Wohnungstür der Familie Peters. Dass diese später den polizeilichen Einsatz noch deutlich erweitern und verlängern sollte, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Vergeblich und unter großem Gejammer hatte Herr Walter einen sofortigen Versuch unternommen, sich wieder in eine vertikale Position zu bringen. Was er nicht wirklich zu realisieren schien, waren die beiden inzwischen zusätzlich eingetroffenen Kollegen, durch welche er am Boden fixiert worden war. Eine Befragung des Herrn schien zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen und auch äußerlich erkennbare Verletzungen waren nicht vorhanden. Durch die beiden Kollegen wurde er daher, ohne sein Einverständnis (wie er immer wieder lallend erklärte), der nächsten Polizeiwache zugeführt. Diese Nacht würde er wohl in Bekanntschaft einer dünnen Matratze und dunklen Fliesen verbringen.
Mein Kollege und ich hatten inzwischen die total verwüstete Wohnung der Familie Walter betreten. Im Flur der Wohnung sprang uns förmlich ein fast beißender Alkoholgeruch in das Gesicht.
Nach links ging ein kleines in seine Einzelteile zerlegtes Badezimmer ab. Dahinter befand sich die Küche. Es hatte offenbar Kartoffelsalat und Bockwürstchen geben sollen. Diese befanden sich allerdings, einer von der Küche durch den Flur über die Wand ins Wohnzimmer verlaufenden Kartoffel- und Mayospur zur Folge, bereits am Esstisch. Beziehungsweise dem, was davon noch übrig geblieben war. Dieser lag nämlich seitlich im Plasma-TV. Frohe Weihnachten. Der Weihnachtsbaum, welcher zum Glück nicht mit echten Kerzen bestückt war, strahlte in voller Pracht in der linken hinteren Ecke des Zimmers. Unerklärlicherweise hatte er offenbar gar nichts abbekommen. Hinten rechts hinter dem Wohnzimmertisch fanden wir eine völlig verstört wimmernde Frau mittleren Alters – Frau Walter. „Frau Walter die Polizei ist hier. Sind sie verletzt?“ Bei dem Zustand der Wohnung grenzte es förmlich an ein Wunder, dass die leicht untersetzte Dame unverletzt geblieben war. Nachdem wir ihr versichern konnten, dass ihr Mann sich bereits auf der Polizeiwache befand, begann sie zitternd den Verlauf des 1. Weihnachtsfeiertages zu schildern. Ein Tag geprägt von Streit und einem zunehmenden Alkoholkonsum ihres Mannes. Sie sei dann kurz bei ihren Nachbarn gewesen, um einen Weihnachtsgruß abzugeben, da habe ihr Mann unvermittelt angefangen sie zu beschimpfen und sie der Untreue zu bezichtigen. Kurz darauf seien auch schon die ersten Gegenstände nach ihr geworfen worden und die Situation eskaliert. Für uns war es der klassische Fall einer „Häuslichen Gewalt“, verbunden mit allen möglichen Folgemaßnahmen. Zu diesen gehörte u. a. ein Rückkehrverbot für Herrn Walter für die nächsten 10 Tage. Wir begannen gerade damit, Fotos von der verwüsteten Wohnung zu machen und der Dame alle nun eingeleiteten Schritte sowie ihre Möglichkeiten zu erklären, als aus dem Hausflur hektische Hilfeschreie drangen. Der Geruch, welcher bereits den Hausflur des Wohnhauses erfüllte, lies nichts gutes vermuten….
(Weiter geht’s bald im zweiten Teil)