Posted On 30. April 2014 By In Einsätze von Piker, featured With 12103 Views

Powernapping auf dem Heimweg

Das Wetter in dieser Samstagnacht war für den Frühlingsbeginn mit 18° C erstaunlich warm und so erwarteten wir einige Einsätze für diese Nacht. Neben ein paar „lauten“ Gartenpartys und mehreren Streitigkeiten zwischen, nach eigener Einschätzung der Betroffnen, nur „leicht“ angetrunken Personen verlief die Nacht zu unserer Überraschung erstaunlich ruhig.

Umso weniger erwarteten wir auf unserer Abschlussrunde kurz vor Dienstschluss noch eine Überraschung….

Die meisten Kneipen und Bars in der Innenstadt waren inzwischen relativ leer und auf den Straßen waren nur noch vereinzelt Fahrzeuge und Fußgänger unterwegs. Das Wetter hatte dem „Partyvolk“ eine hervorragende „Grundlage“ geboten. So war es auch nicht verwunderlich, dass sich bis 2-3 Uhr viele Leute draußen in ihren Gärten und vor den Lokalitäten aufgehalten hatten – zur Freude der Anwohner. Neben einigen Ruhestörungen und kleineren körperlichen Auseinandersetzungen hatten sich die Einsätze allerdings noch im Rahmen gehalten. Auf unserer letzten Runde beschlossen wir, noch kurz die Bahnhöfe sowie ein paar Wege und Straßen in die Wohngebiete abzufahren. An den Bahnhöfen war weit und breit niemand mehr zu sehen und auch auf den Straßen bewegte sich niemand mehr.

„Komm, lass uns reinfahren.“ warf mein Kollege in die nächtliche Stille. Wir waren alle leicht übermüdet und so fuhren wir ohne weitere Worte in Richtung Wache. Doch wirklich weit kamen wir nicht. Nach ein paar hundert Metern ragte in einer scharfen Rechtskurve etwas auf die Fahrbahn. Schuhe…Beine… Mein Kollege machte eine Vollbremsung und wir sprangen aus dem Streifenwagen. In der Kurve lag eine junge männliche Person regungslos und mit kerzengerade angelegten Armen mit seinem Oberkörper auf dem Gehweg und seinen kompletten Beinen auf der Fahrbahn. Er wirkte wie ein Brett, was man dort abgelegt hatte.

Auf Rütteln an seiner Schulter und lautes Ansprechen zeigte der Teenager keine Reaktion. Ein leichter Schmerzreiz im Bereich des Gesichtes 🙂 führte zu einer kaum merklichen Bewegung der Lippen. Ein leichtes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Nach weiteren 5 Sekunden öffnete sich erst langsam ein und dann das zweite Auge, was zu einem noch breiteren Grinsen führte. „Hallo die Polizei ist hier. Ist bei Dir alles in Ordnung?“ Wortlos schauten die Augen in den klaren Nachthimmel. Irgendetwas veranlasste den jungen Herren sich urplötzlich und weiterhin kommentarlos aufzusetzen, um dann sprungartig aufzustehen – zumindest kurzzeitig. Scheinbar sah sein Gleichgewichtssinn dieses Vorhaben als unnötig an. Weiterhin steif wie ein Brett begann er nach vorne umzukippen. Die Bekanntschaft seines Gesichts mit dem Asphalt konnten wir gerade noch verhindern.

„Wie heißt du denn? Weißt du, wo du gerade bist?“ – „Joa, na klar. In X-Dorf.“

Kaum zu glauben, aber das Sprachzentrum schien, wenn auch nur auf Sparflamme, zu arbeiten.

„Und wo warst du heute Abend?“ – „In Mühldorf.“
„Und wo wohnst du?“ – „Na klar, in Mühldorf“
„Was machst du dann hier in X-Dorf?“ – „Na klar, ich wohne hier.“
„Also wohnst du doch nicht in Mühldorf“ – „Na klar, dort war ich nur zum feiern.“
„Du bist also auf dem Weg nach Hause und hast eine kurze Pause eingelegt?“ – „Na klar.“
„Hast du einen Ausweis?“ – „Na, klar. Hier!“

Er zog motorisch etwas unsicher ein Smartphone aus seiner Tasche, entsperrte dieses und öffnete einen Chatverlauf mit Bianca.

„Hier“ – „Aber das ist ihr Handy und nicht ihr Ausweis?“ – „Na klar…“ 

Mit diesen Worten steckte er sein Handy wieder in die Tasche, um es zwei Sekunden später wieder hervorzuholen, zu entsperren und uns wieder den Chatverlauf mit Bianca unter die Nase zu halten. Mit leichtem Grinsen unsererseits halfen wir ihm daraufhin seine Geldbörse zu finden. Dieser öffnete er zielsicher und zog zwei Karten heraus.

„Na klar, hier.“

Mit diesen Worten übergab er uns anstatt seines Ausweise eine EC- und eine Kreditkarte…

Mit vereinter Kraft schafften wir es dann doch, mit ihm seinen Personalausweis zu finden. Und siehe da, der 19-jährige war sogar auf dem richtigen Weg nach Hause. Doch scheinbar hatten ihn 200 Meter vor seiner Haustür die Kräfte verlassen.

In Begleitung eines Kollegen meisterte er aber schlussendlich auch noch diese Hürde. An der Wohnungstür seiner Eltern versprach er uns mit dem einzigen, was sein Sprachzentrum momentan konsequent noch generieren konnte, – „Na klar“ –, dass er sofort ins Bett gehen würde.

Ob er es schlussendlich noch ins Bett geschafft oder doch lieber auf dem großen Teppich im Eingangsbereich genächtigt hat, bleibt offen 😉

 

Bildquelle: www.lachschon.de

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Ich bin Polizeibeamter in einem schönen Bundesland hier in Deutschland und habe mein Studium bei der Polizei wenigen Jahren erfolgreich abgeschlossen. Seitdem bin ich im Wach-und Wechseldienst (auch bekannt als Streifendienst) für die teilweise kuriosen Anliegen der Mitbürger da :) Vielleicht noch kurz zu der Entstehung meines "seltsamen" Nicknames: Bei dem Ausfüllen eines Formulars im Dienst ist mir ein folgeschwerer Rechtschreibfehler unterlaufen. Anstatt im Mängelzettel den defekten "Peiker" (unser Mikrofon im Streifenwagen sozusagen), hatte ich "Piker" geschrieben. Nachdem dieser Zettel von ein paar Kollegen entdeckt worden war, hatte sich der Fehler innerhalb kürzester Zeit wie ein Lauffeuer in der ganzen Wache verbreitet. Seitdem werde ich von vielen Kollegen nur noch mit meinem neuen Namen - "Piker" - angesprochen.